OHN-MACHT: FISCHFABRIKEN

Ein neuer Morgen kam, mit aller Unausweichlichkeit, doch mit ihm versank auch der Traum, die Unruhe und das Fieber. Wieder klar denken zu können und den Emotionen nicht mehr hilflos ausgeliefert sein, das war dieses Erwachen.

„Es hilft niemandem, wenn ich jetzt weinerlich werde“, erklärte Martinique deswegen, mit aller Entschiedenheit, die sie aufzubringen vermochte. Wie viel leichter das doch fällt, wenn man sich gehalten weiß, so wie Christian sie hielt.

„Das stimmt schon“, gab er ihr recht, „Aber Du musst auch Deine Emotionen nicht verstecken.“

„Sobald Du die Augen aufmachst und hin siehst, verstehst, was vor sich geht, kannst Du nicht mehr so tun, als wäre nichts gewesen“, meinte sie nachdenklich, „Du kannst nicht mehr in den Zustand der Unschuld zurückkehren, wenn Du sie einmal verloren hast.“

„Hübsch gesagt, Unschuld“, erwiderte er, „Eine doch recht euphemistische Umschreibung für Ignoranz, Blindheit und Verbohrtheit.“

„Nein, so lange man es nicht weiß, ist es ein Zustand der Unschuld“, erwiderte sie, „Es hat natürlich einen guten Grund, warum all diese Perversitäten so schamhaft verschwiegen werden. Wenn nun – wer auch immer – auf die wahren Verhältnisse aufmerksam macht, sie publik werden lässt, dann wird zunächst alles unternommen, um die, die es aufdecken möglichst mundtot zu machen. Selbst die Politik versucht jetzt gegen die Aufklärungsarbeit vorzugehen, die Aufklärer zu kriminalisieren. Schließlich geht es um viel Geld.“ 

Gleichzeitig werden die Methoden immer perfider“, konstatierte er.

Was meinst Du?“, fragte sie neugierig.

„Du weißt ja, dass unsere Meere völlig überfischt sind“, sagte Christian.

„Ja, klar, und gleichzeitig steigt der Bedarf“, entgegnete Martinique.

„Deshalb ist man auf die Idee gekommen Fische, genauso wie Schweine oder Hühner oder andere sogenannte Nutztiere, in Tierfabriken zusammenzupferchen, einzusperren und zu quälen. Der einzige Unterschied ist, dass diese sich unter Wasser befinden. So bekommt der ökologische Wahnsinn einen Namen.“

„Wie meinst Du das?“, fragte Martinique. 

„Wenn Tiere, egal welche, auf engstem Raum zusammengepfercht werden, bedeutet das eine leichte Übertragbarkeit von Krankheiten. Deshalb werden, wie auch in jeder anderen Massentierhaltung, tonnenweise Antibiotika und Steroide verabreicht, denn wenn nur ein Fisch krank wird, sind es innerhalb kürzester Zeit alle anderen“, fuhr Christian fort, „Das bedeutet aber auch, dass wir all das Zeug mit dem Fisch mitessen. Darüber hinaus müssen die Fische auch gefüttert werden. Gerade bei der Lachszucht ist das Verhältnis besonders krass. Für die Produktion von einem Kilo Lachs, werden fünf Kilo Fisch verfüttert, der wiederum die Überfischung fördert. Auf der anderen Seite bedeutet eine Überpopulation einer Spezies auf engstem Raum auch eine ungeheure Menge an Fäkalien, die wiederum ins Meer gespült werden. Diese befördern das Algenwachstum, so dass küstennahe Meeresregionen mit einer grünen Schicht überzogen werden, die die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt. Dies wiederum führt dazu, dass Fische nicht überleben können und unsere Meere sterben. Bedenkt man, dass die Meere die wichtigsten Sauerstofflieferanten sind, kann man sich ausrechnen, dass uns bald die Luft ausgehen wird.  

Aber mit der Massenhaltung alleine ist die Quälerei noch nicht beendet, denn damit der Darm der Fische zum Zeitpunkt der Schlachtung leer ist, müssen sie sieben bis zehn Tage davor hungern. Und ob das noch nicht genug wäre, wird Kohlendioxid ins Wasser geleitet, so dass die Tiere langsam ersticken. Das kann vier bis sechs Minuten dauern. Aber wir wollen ja nicht so grausam sein, deshalb werden die Fische häufig schon vorher aus dem Wasser gezogen und bei lebendigem Leib ausgeweidet. Dabei sind Genmanipulation gang und gäbe. Züchtungen, die sich nicht fortpflanzen können oder später geschlechtsreif werden, sind bereits Usus geworden. Das erleichtert zwar die Aufzucht, vermindert aber die Fleischqualität.“

„Wenn man so will werden in solchen Fischfabriken sämtliche Register an Widerlichkeiten, die man sich so ausdenken kann“, versuchte sich Martinique an einer Zusammenfassung des Gehörten, „Wir quälen Millionen von Lebewesen, beuten die Meere noch mehr aus, zerstören die natürliche Umwelt und machen die Menschen krank, also, indem sie den mit Chemikalien vollgestopften Fisch essen, aber auch, indem die Menschen, die in diesen Fischfabriken arbeiten, ebenso verseucht werden. Damit schlägt man etliche Fliegen mit einer Klappe. Und der homo sapiens hat sich mal wieder als das intelligenteste Tier ausgezeichnet.“ 

„Würde er all die Energie und Gedankenarbeit in Möglichkeiten investieren, die auf die Zukunft gerichtet, alle Tiere, inclusive seiner selbst schützen und eine lebenswerte Umwelt erhält, wie schön wäre die Welt“, meinte Christian nachdenklich.

„So lange es nur um kurzfristigen Profit geht, wird leider daraus nichts werden, fürchte ich“, schloss Martinique, „Aber weißt Du was, lass uns ein wenig am Fluss spazieren gehen. Es wäre schön einmal wieder was Schönes zu sehen und sich ein klein wenig von all den Menschereien zu erholen.“

Und so gingen sie den Fluss entlang, hinein in den neuen Tag. Vielleicht kämen sie auf andere Gedanken, bloß für eine kleine Weile.

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